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Japanische Aktien haben in den letzten Jahren hohe Renditen erzielt. Bietet der Markt überhaupt noch Wertpotenzial? Wir sagen ja und erwarten eine weiterhin positive Entwicklung.
In unserem zu Beginn des vergangenen Jahres verfassten Artikel vertraten wir die Auffassung, dass die Wirtschaft Japans in diesem Jahrzehnt von einer anhaltenden Dynamik gekennzeichnet sein würde. Die Ereignisse des Jahres 2024 haben unsere Argumentation sicherlich gestärkt. Der Aufschwung wird weiterhin gestützt durch die hohen Gewinne japanischer Unternehmen – unabhängig davon, ob diese ihre Umsätze im In- oder Ausland erzielen – die Neuausrichtung der Corporate Governance, eine anhaltende Inflation, steigende Löhne und eine verstärkte Aktivität im M&A-Bereich. Nach der starken Performance in den letzten zwei Jahren fragen sich einige Anleger, ob der Markt überhaupt noch Wertpotenzial bietet. Wir sagen ja und halten an unserer konstruktiven langfristigen Einschätzung des japanischen Aktienmarktes fest. Wir glauben, dass der lang erwartete Wandel Japans gerade erst begonnen hat.
Die Corporate-Governance-Reform stärkt die Aktionärsrendite
Wie schon im letzten Jahr ist es auch dieses Jahr wieder die Corporate Governance-Reform, die uns am meisten begeistert. Die Motivation zur Verbesserung der Rentabilität und der Bewertungen der japanischen Unternehmen ist weiterhin hoch. Wir sagen unseren Kunden häufig, dass der Schlüssel zum Aufschwung Japans in
einer besseren Kapitalallokation der Unternehmen und einem stärkeren Fokus auf der Anlegerrendite liegt. Im Vergleich zu früheren Jahrzehnten sind japanische Unternehmen mittlerweile profitabler; sie wandeln den Betriebsgewinn effizienter in Nettogewinne um und die Ausschüttungen an die Aktionäre sind höher als je zuvor! Es erfolgen weiterhin Aktienrückkäufe in beispiellosem Umfang: In der ersten Hälfte des Geschäftsjahres (April – Oktober 2024) wurden Rückkäufe in Rekordhöhe von rund 15 Billionen Yen angekündigt, gegenüber nur rund 8 Billionen Yen im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Geht man von der konservativen Annahme aus, dass die Rückkäufe im verbleibenden Geschäftsjahr (November 2024 – März 2025) in gleicher Höhe wie im Vorjahr erfolgen, würden sich die Rückkäufe für das gesamte Jahr auf ~17 Billionen Yen belaufen. Das ist ein Anstieg von 70% gegenüber dem Vorjahr!1
Abbildung 1: Die massiven Aktienrückkäufe im TOPIX dauern an2
Quelle: Jefferies, FactSet, November 2024.
Neben dem starken Anstieg der Aktienrückkäufe gewinnt in Japan auch die Liquidation von wechselseitigen Beteiligungen an Dynamik, und die Unternehmen, die dabei zu den Vorreitern gehören, erzielen hohe Renditen. Diese archaische Aktionärsstruktur belastet die Kapitaleffizienz in Japan bereits jahrzehntelang. Dank
aufsichtsrechtlicher Reformen wendet sich dieser Trend jedoch rasch, denn die Reformen bieten japanischen Unternehmen Anreize, sich von wertvernichtenden Beteiligungen zu trennen. Versicherungen, Banken und die Automobilbranche stehen hier an der Spitze, wir beobachten diese Entwicklung aber auch in anderen Marktsegmenten. Bei Unternehmen mit prozentual hohen Beteiligungen im Verhältnis zu ihrer Marktkapitalisierung, die diesen Prozess bereits durchlaufen, besteht eine größere Wahrscheinlichkeit, dass sie an diesen aktionärsfreundlichen Maßnahmen festhalten und – was noch wichtiger ist – den Index übertreffen. Tatsächlich gelang es Unternehmen, die ihre Aktienbestände um mehr als 20% verringert haben, den TOPIX (Tokyo Stock Price Index) seit Jahresbeginn um ca. 19% zu überflügeln. Unseres Erachtens befindet sich diese Entwicklung erst im Anfangsstadium. Wir warden Qualitätsunternehmen, die davon profitieren, auch weiterhin in unseren Portfolios berücksichtigen.
Abbildung 2: Die Liquidation von wechselseitigen Beteiligungen sorgte 2024 für deutlich höhere Renditen3
Quelle: Jefferies, FactSet, November 2024. Für Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 2 Mrd. US-Dollar.
„Investieren statt sparen“ – strukturelle Veränderungen beim Kauf japanischer Aktien durch Privatanleger
Neben der Anlage überschüssiger liquider Mittel im Unternehmenssektor beobachten wir, dass japanische Haushalte ihre Ersparnisse in Anlageprodukte umschichten. In der Vergangenheit verfügten japanische Haushalte aufgrund ihrer konservativen Einstellung und des deflationären Umfelds in der Regel über beträchtliche Barbestände (mehr als 50% ihres Vermögens ggü. 12% in den USA4). Angesichts der Inflation, die den Wert persönlicher Ersparnisse aufzehrt, kam es in letzter Zeit jedoch zu einer Verlagerung hin zu Anlageprodukten. Staatliche Maßnahmen, wie die Einführung eines neuen steuerbegünstigten Anlagesparkontos (NISA, Nippon Individual Savings Account) im Jahr 2024 leisteten einen wesentlichen Beitrag hierzu. Diese Verlagerung erinnert uns an eine ähnliche Regierungsinitiative von 2015. Damals steigerte der staatliche Pensionsfonds Japans (GPIF) das Engagement in inländischen Aktien von 12% auf 25% und verringerte das Engagement in japanischen Staatsanleihen (JGB) von 60% auf 35%, um eine höhere risikobereinigte Rendite zu erzielen. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die veränderte Mentalität der jüngeren Japaner, die bestrebt sind, ihren Wohlstand durch wachsende Privatvermögen zu sichern, ebenfalls zum verstärkten Kauf japanischer und internationaler Aktien beitragen wird. Der gleiche Trend war vor über 40 Jahren in den USA zu beobachten, als dort ähnliche, auf steuerliche Anreize setzende Programme wie der Altersvorsorgeplan IRA (Individual Retirement Account) und 401k eingeführt wurden. Wir sind überzeugt, dass der Trend „Investieren statt sparen“ auf längere Sicht ein sehr wichtiges Thema für Japan sein wird. Die Umschichtung des Vermögens der privaten Haushalte dürfte den langfristigen Vermögensaufbau in Japan begünstigen und sich positiv auf den Konsum auswirken.
Verstärkte Fusions- und Übernahmetätigkeit – ein positive Impuls für die Umstrukturierung von Unternehmen
Politische Entwicklungen
Erstmals seit 1905 verlor jede Regierungspartei in den Industrieländern, die 2024 zur Wiederwahl antrat, Wählerstimmen. In Japan büßte die regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) bei der Wahl ihre Mehrheit ein. Die Regierungskoalition bleibt jedoch die größte Fraktion im Unterhaus. Wir rechnen zukünftig mit einer gewissen Marktvolatilität aufgrund der Ungewissheit, halten es jedoch für höchst unwahrscheinlich, dass die marktorientierte Politik ausgehebelt wird. Zum besseren Verständnis: Die LDP sorgte während der vergangenen zehn Jahre für eine stabile Politik in Japan und setzte eine Reihe von Reformen im Hinblick auf die Unternehmensführung und das Arbeitsrecht um. Dabei handelt es sich um Gesetze, die nicht umkehrbare strukturelle Veränderungen nach sich ziehen, durch die sich in den nächsten zehn Jahren grundlegende Veränderungen für japanische Unternehmen ergeben werden.
Abbildung 3: Notwendige prozentuale Preiserhöhungen zum Ausgleich von Trumps Zöllen in der Automobilbranche: Toyota und Honda wären in geringerem Maße betroffen als Ford7
Quelle: Quelle: CLSA. Januar 2024. Notwendige prozentuale Preiserhöhungen zum Ausgleich von Trumps Zöllen in der Automobilbranche – ausgehend von Zöllen in Höhe von 25% auf Autos und Autoteile aus Mexiko und Kanada, 60% für China und 20% für alle übrigen Länder.
Eine positive Aufwärtsspirale von Lohnsteigerungen und Inflation
In unserem letzten Artikel berichteten wir begeistert über die Bemühungen der Bank of Japan (BoJ), die eine positive Spirale von Lohnsteigerungen und Inflation in Gang setzen möchte. Unseres Erachtens wäre das der Beginn einer neuen Ära des Wirtschaftswachstums in Japan. Viele Skeptiker bezweifelten, dass dies erreichbar sei. In den vergangenen zwölf Monaten beobachteten wir eine Inflationsrate, die dauerhaft über 2% lag, und eine Lohnsteigerungsrate von etwas mehr als 3%. Wir haben nun guten Grund zu der Annahme, dass die Inflation in Japan kein vorübergehendes Gastspiel gibt, sondern langfristig Bestand hat. Sie
entsteht durch eine positive Aufwärtsspirale von Lohnsteigerungen und Preisen, die auf ein nachhaltiges Wachstum des nominalen BIP hinweisen. Dies dürfte weiterhin zu einem günstigen Konjunkturzyklus beitragen, denn es spornt Unternehmen an, mehr in Wachstum zu investieren und ihre Kapitaleffizienz zu steigern. Einige Anleger argumentieren, dass ein stärkerer Yen, mit dem 2025 zu rechnen ist, die vorteilhafte Inflationsentwicklung in Japan zunichte machen wird. In unseren Augen ist das unwahrscheinlich. Japan verfügt über ein begrenztes Arbeitskräfteangebot. Das Renteneintrittsalter wurde hochgesetzt, die Erwerbsquote von Frauen ist gestiegen und eine grundlegende Reform der Einwanderungspolitik ist sehr unwahrscheinlich, d. h. die Nachfrage nach Arbeitskräften dürfte das Angebot übersteigen. Unseres Erachtens wird dies selbst bei einer Aufwertung des Yen nachhaltige Lohnsteigerungen und eine Inflation begünstigen, sodass es in Japan wahrscheinlich nicht wieder zur Deflation kommt. Japans nominales BIP hat sich aus dem Deflationsgleichgewicht befreit. Unterstützt von nachhaltigen Lohnsteigerungen hält es nun Kurs auf ein mäßiges Wachstum.
Abbildung 4: Japans nominales BIP ist nun allmählich auf Wachstumskurs8
Quelle: Schätzungen von Morgan Stanley Research. Kabinettsamt, Morgan Stanley Research.
Die dynamische Lohn-Preis-Entwicklung dürfte zu einer weiteren Normalisierung der Geldpolitik der BoJ führen, und wir erwarten im Laufe des Jahres 2025 schrittweise Zinserhöhungen. In Anbetracht der weltweiten Lockerung der Geldpolitik durch die Zentralbanken wird dies den Yen voraussichtlich stärken. Devisenspekulationen fallen zwar nicht in unseren Kompetenzbereich, aber uns ist klar, dass der Yen Einfluss auf die Fundamentaldaten von Unternehmen hat. Ein schwächerer Yen kommt exportorientierten Branchen zugute und setzt binnenwirtschaftlich orientierte Unternehmen unter Druck, während ein stärkerer Yen genau das Gegenteil bewirkt. Während der jahrelang anhaltenden Deflation bemühten sich japanische Unternehmen nach Kräften, die Breakeven-Absatzquote zu senken. Daher können sie auch dann noch stabile Gewinne erwirtschaften, wenn externe Faktoren, wie die Wechselkurse, schwanken.
Japanische Unternehmen sind in einer viel besseren Verfassung als in den vergangenen Jahrzehnten, und der Markt ist im historischen und weltweiten Vergleich weiterhin attraktiv bewertet.
Fazit
Unseres Erachtens ist die japanische Wirtschaft gut aufgestellt, um 2025 wieder durchzustarten, da Themen wie Reflation, steigende Löhne, eine bessere Unternehmensführung und eine Zunahme der Fusions- und Übernahmetätigkeit im Fokus stehen. Anders als bislang dürfte nun auch das Gewinnwachstum von der
Inlandsnachfrage abhängiger Unternehmen den japanischen Markt stärken. Aus makroökonomischer Sicht wird Japan unserer Ansicht nach wohl zu den Ländern gehören, die durch die Androhung von US-Zöllen gegenüber wichtigen Volkswirtschaften am wenigsten betroffen sind, da zahlreiche Produktionsprozesse in die USA verlagert wurden und vielfältige geopolitische Beziehungen bestehen. Die langfristige Entwicklung wird ebenfalls nicht beeinträchtig. Japanische Unternehmen sind von dem Modell der 1980er Jahre, das vom Kampf um Marktanteile, niedrigen Gewinnspannen und hohen Investitionen gekennzeichnet war, nunmehr zu einem Modell übergegangen, das auf Rendite und Kapitaleffizienz ausgerichtet ist. Wir sind der Meinung, dass die japanischen Unternehmen in einer viel besseren Verfassung sind als in den vergangenen Jahrzehnten. Zudem ist der Markt im historischen und weltweiten Vergleich weiterhin attraktiv bewertet. Kurzum: Es ist eine sehr spannende Phase! Wir erleben einen durch solide Fundamentaldaten gestützten Markt, auf dem das Wachstum voraussichtlich an Dynamik gewinnen wird. Für aktive Anleger wie uns bietet sich eine Vielzahl von attraktiv bewerteten Anlagemöglichkeiten.